Blog des Heinrich-Braun-Klinikums
Kompetenzzentrum für Bewegungsstörungen nahm an internationalem Kongress TOXINS24 teil
15.02.2024Der jährliche TOXINS24-Kongress gehört zu den wichtigsten Veranstaltungen für die Betrachtung neuster Entwicklungen in der Grundlagenwissenschaft und klinischen Anwendung von Neurotoxinen. Zu diesem Anlass war die Ärztin Frau Dr. med. Andrea Stenner, Neurologin und Leiterin des Kompetenzzentrums für Bewegungsstörungen am Standort Zwickau - Werdauer Straße, mit ihren Kolleginnen Simone Kunde-Luckner und Bianca Tryonadt (beide Medizinische Fachangestellte) in Berlin im Januar eingeladen.
Erstmalig hat das Team zwei Patienten mit Bewegungsstörungen im Gesichtsbereich, einer sogenannten Dystonie, vorgestellt und vor Ort live behandelt. Dystonien sind eine seltene Gruppe neurologischer Bewegungsstörungen, die zu unwillkürlichen, langanhaltenden Muskelanspannungen und Fehlhaltungen führen. Sie können eigenständig oder als Folge anderer Erkrankungen wie Parkinson oder Schlaganfall auftreten. Dabei können einzelne Muskelgruppen beziehungsweise Körperteile oder der ganze Körper unterschiedlich stark betroffen sein. Beispielsweise können nur Augenlider, Hals, Stimmbänder, Glieder oder Kiefer betroffen sein und für viele Minuten bis Stunden so bestehen bleiben. Dystonien werden mittels Botulinumtoxin-Injektionen (Botox) behandelt.
Bei dem ersten Patienten, der zum Kongress vorgestellt wurde, handelte es sich um eine spasmodischen Dysphonie (eine Form der Dystonie), bei der es zu einer gepressten Sprache mit einer monotonen Stimme bis hin zu einem Stimmenabbruch kommt. Dadurch ist der Patient nicht mehr in der Lage zu sprechen. Seit seinem 36. Lebensjahr ist der Patient in Zwickau in Behandlung. Er feierte kürzlich seinen 60. Geburtstag und kommt regelmäßig alle drei Monate zur Behandlung ins Kompetenzzentrum. Frau Dr. med. Stenner behandelt dieses Krankheitsbild mit einer ganz speziellen Injektionstechnik, bei der der Zugang von vorn durch den Hals über die Membran cricoidea unterhalb des Kehlkopfes ultraschall- und EMG (Elektromyographie)-gestützt erfolgt. Sie zeigte die Unterschiede der Injektionstechnik zwischen einem HNO-Arzt und einem Neurologen auf. Ein HNO-Arzt verabreicht die Injektion endoskopisch über den Mund in die Stimmlippen, was deutlich zeitaufwendiger ist und eine Kurznarkose erfordert. Bei dem Verfahren durch den Hals ist keine Narkose notwendig, der Eingriff dauert nur wenige Minuten, benötigt keine großen Gerätschaften und der Patient kann direkt danach wieder aufstehen und nach Hause gehen.
Die zweite Patientin stellte sich 2023 im Alter von 28 Jahren im Kompetenzzentrum vor. Bei ihr wurde festgestellt, dass die Bewegungsstörung im Bereich des Kiefer- und besonders im Zungenbereich (oromandibuläre Dystonie) lag. Im Vordergrund stand die Sprechstörung durch die unkontrollierten Bewegungen der Zunge, der Fachausdruck ist eine „speech indused Dystonie“ (durch Sprechen ausgelöste Dystonie). Dabei kommt es gleichzeitig zu einer unwillkürlichen Kieferöffnung- und Kieferschlusssituation mit gleichzeitiger Verschiebung des Kiefers zu beiden Seiten. Die Behandlung mit einer Botulinumtoxin-Injektion erfolgt EMG- und ultraschallgestützt in die Wangen- und Zungenmuskulatur. Nach der dritten Injektion und der richtigen Dosierung konnten schon erste Teilerfolge bei der Patientin erzielt werden. Vor Ort bekam sie die vierte Injektion gespritzt. Die Wirkung stellt sich bei den Patienten nach ca. 3 bis 14 Tagen ein und haben zur Folge, dass die Beschwerden deutlich gemindert werden. Bei allen Behandlungen muss nach spätestens drei Monaten aufgefrischt werden – und dass ein Leben lang. Für die Patienten bringen die Behandlungen einen spürbaren Erfolg, denn sie können wieder ein nahezu normales Leben führen, gewinnen an Selbstvertrauen und bekommen ein positives Lebensgefühl zurück.
"Die Injektionstechniken wurden zum Kongress über Kameras auf Leinwand weltweit übertragen und sorgten bei den Zuschauern für großen Zuspruch. Ich freue mich über das positive Feedback und das Interesse an unserem Kompetenzzentrum für Bewegungsstörungen. Die Teilnahme am Kongress war für meine Kolleginnen und mich eine schöne und wertvolle Erfahrung.“, resümierte Frau Dr. med. Andrea Stenner.
Zum Kompetenzzentrum
Das Zentrum für Bewegungsstörungen wurde 2006 in Zwickau gegründet und behandelt die Krankheitsbilder Dystonie (Bewegungsstörung), Tortikollis (Schief- bzw. Fehlhaltung des Halses), Blepharospasmus (Lidkrampf), Hemispasmus facialis (Störung der Gesichtsmuskulatur) und Spastik (spastischer Krampf/Lähmung).
Patienten aus aller Welt suchen die Einrichtung auf, um sich von Frau Dr. med. Andrea Stenner behandeln zu lassen. Für ihr spezielles Injektionsverfahren ist sie weit über Zwickau hinaus bekannt und gefragt. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen der verschiedenen Injektionstechniken vermittelt sie theoretisch und praktisch in Ärztekursen – auch international.