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Blog des Heinrich-Braun-Klinikums

COVID-19-Eindrücke am Heinrich Braun Klinikum, Standort Zwickau

20.06.2020

Im Rahmen des nationalen Aktionstages am 20. Juni 2020 "Tag der Intensivmedizin" gewährt die Intensivstation am Heinrich-Braun-Klinikum, Standort Zwickau, Einblicke in ihre Arbeit während der Corona-Pandemie. Ein Erfahrungsbericht zum Umgang mit dem ersten COVID-19-Patienten.

v.l.n.r. OA Dr. med. Udo Gottschaldt, ChA Prof. Dr. med. Andreas Reske, stv. Pflegerische Klinikleitung Ralf Brückner
v.l.n.r. OA Dr. med. Udo Gottschaldt, ChA Prof. Dr. med. Andreas Reske, stv. Pflegerische Klinikleitung Ralf Brückner
Ein Erfahrungsbericht der Intensivstation zum Umgang mit dem ersten COVID-19-Patienten
Ein Erfahrungsbericht der Intensivstation zum Umgang mit dem ersten COVID-19-Patienten

In den vergangenen Wochen und Monaten hielten uns bisher vielfältige Informationen, Eindrücke und Entscheidungen in Atem. Vieles betraf die logistische und technische Vorbereitung auf eine Situation, die wir nur aus Berichten der Medien kannten. Andere Herausforderungen waren verunsicherte intensivmedizinische Teams, besorgte Patienten und operative Partner.

Unser erster COVID-Patient begleitete uns letztendlich am längsten. Warum hinterließ ausgerechnet er solch einen bleibenden Eindruck? Nach Tagen der Vorbereitung der Klinik und anfänglicher Ungewissheit wurde er als erster COVID-Patient durch den Rettungsdienst eingeliefert. Angekündigt als dringender COVID-19-Verdacht, da die Frau des Patienten bereits positiv getestet war. Die ersten Informationen sprachen, zusammen mit den Berichten aus China und Italien, für ein hohes Risiko an COVID zu versterben: Alter 76 Jahre, eine maligne, aber in Remission befindliche hämatologische Erkrankung, Herzinsuffizienz nach einer großen Herzoperation und eine periphere Sauerstoffsättigung unter 80% bei Eintreffen in unserem Schockraum. Noch während im Hintergrund überlegt wurde, ob der Patient nun auf die Intensivstation übernommen werden solle oder ob man sich in Anbetracht des befürchteten Patientenansturms doch für ein palliatives Vorgehen entscheiden sollte, mussten aufgrund der sich rasch verschlechternden Oxygenierung die Intubation und maschinelle Beatmung erfolgen. Eine Rechtsherzdekompensation machte eine kurze, aber erfolgreiche Reanimation notwendig. Wieder stand die Frage im Raum, ob eine solche Behandlungsintensität mit den uns von den Medien immer wieder vor Augen gehaltenen „Triage-Szenarien“ vereinbar war. Letztendlich entschied das multidisziplinäre Ärzteteam, die begonnenen intensivmedizinischen Maßnahmen fortzusetzen und den Patienten auf die Intensivstation unserer Klinik zu übernehmen.

Für das gesamte Team war diese Aufnahme der „Startschuss“ oder auch das „Ventil“, die in den vergangenen Wochen der Vorbereitung angestaute Energie freizusetzen. Die im Vorfeld festgelegten Behandlungskonzepte für schwer ateminsuffiziente, intubierte Patienten wie lungenprotektive maschinelle Beatmung mit definierten Druckniveaus, Bauchlagerungstherapie, Monitoring, Laborprofile, Aufwach- und Spontanatmungsversuche wurden umgesetzt und zeigten in Bezug auf klinische, paraklinische und physiologische Parameter rasche Erfolge. Was wir aber nicht erwartet hatten, war die Zeitdauer der Abhängigkeit der Atempumpe von maschineller Unterstützung. Während sich die messbaren Gasaustauschparameter kontinuierlich besserten und die Bauchlagerungstherapie nach acht Tagen beendet werden konnte, war unser Patient Nr. 1 weiter von der maschinellen Beatmung abhängig, obwohl er wach und auch mit Beatmung bis zum Laufen auf dem Stationsflur mobilisierbar war. Durch Luftnot-Attacken („Lufthunger“) ausgelöste hochgradige Erregungszustände wurde die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung erschwert. Bekannte Konzepte wie Anpassung der Beatmungsparameter, Anxiolyse/Sedierung oder Opioide blieben ohne nachhaltigen Effekt. Menschliche Zuwendung half etwas, diese Situation zu beherrschen. Interessanterweise trug auch die Erhöhung der inspiratorischen Sauerstoffsättigung trotz normaler Oxygenierung zur Entlastung des Patienten bei. Solche Beobachtungen berichteten auch andere Kollegen. Wirklich ohne jede maschinelle Beatmung atmete unser Patient Nr.1 erst nach 46 Tagen.
Ein Moment, der uns allen in Erinnerung blieb, war der Besuch seiner Tochter nach fast einem Monat der Isolation. Ein emotionaler Moment für ihn, seine Tochter aber auch unser gesamtes Intensivteam – und die wahrscheinlich wichtigste Medizin für unseren Patienten Nr. 1. Inzwischen wartet er nach insgesamt 57 Tagen Krankenhausbehandlung und unterdessen negativem SARS-CoV-2-Testergebnis auf einen Termin zur Anschlussheilbehandlung.

Was bleibt von diesen vierzehn Wochen „intensivmedizinischem Ausnahmezustand“?
Da ist das Wissen, dass wir uns trotz unklarer Außenbedingungen rasch in einem interdisziplinären Team aus Internisten, Chirurgen und Orthopäden sowie Intensivmedizinern zusammenfinden und gemeinsam erfolgreich auf die neuen und ständig wechselnden Herausforderungen reagieren konnten. Der durch COVID erzwungene „Blick über den Tellerrand“ erlaubte uns in bisher nicht gehabter Weise die konstruktive interdisziplinäre Diskussion zu Therapieansätzen und pathophysiologischen Grundlagen. Das ist etwas, das wir in die Zukunft mitnehmen wollen. Außerdem sind da Gefühle des Stolzes auf ein Team aus Pflegenden, Physiotherapeuten und Ärzten, das sich gemeinsam den unbekannten Herausforderungen gestellt und auf Augenhöhe zusammengearbeitet hat. Aber da sind auch Gefühle der Verunsicherung und der Frustration, von Faktoren abhängig zu sein, an die bisher keiner dachte und die außerhalb unserer Kontrolle liegen – die Verfügbarkeit und Lieferbarkeit elementarer Dinge wie der persönlichen Schutzausrüstung, Zubehör für Beatmungsgeräte und andere Ausrüstung. Die ständig wechselnde, aber niemals entspannte Versorgungslage hat nicht nur einmal wütende oder fassungslose Reaktionen hervorgerufen.
Im Moment überwiegt bei Weitem der Stolz, als multidisziplinäres Team diese für alle neuen Herausforderungen gemeistert zu haben und nun etwas besser vorbereitet in eine Zukunft, hoffentlich ohne Corona, schauen zu können.

Ein Erfahrungsbericht aus der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie.
Oberarzt Dr. med. Udo Gottschaldt
Chefarzt Prof. Dr. med. Andreas Reske



Über die Kampagne "Zurück ins Leben"

"Zurück ins Leben" ist eine Kampagne des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten e.V. sowie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. 
Ziele der Kampagne sind Aufklärung, Motivation und Würdigung der Intensivmedizin. Die Intensivmedizin soll nicht als abstrakte Apparatemedizin dargestellt werden, sondern den Mensch in den Fokus rücken. Menschliche Zuwendung und Individualität der Patienten stehen im Vordergrund der Intensivmedizin. Der nationale Aktionstag findet jedes Jahr am 20. Juni statt.


Ansprechpartner

KAINS, Tel.: 0375 51-4714


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